Der Bäderkönig

Diese „Geschichte einer bedeutenden Familie“ ist ein Buch unter falscher Flagge. Denn das letzte, worum es den Autoren Eckhard und Regina Henscheid geht, ist es, eine Familiengeschichte zu schreiben. Zwar erzählt ihr Buch „Die Zwicks“ das Werden und Wirken des „Bäderkönigs“ Dr. Eduard Zwick – jenes Mannes also, der die bayrische Landesregierung mit seinen Steuersachen in einige Verlegenheit gebracht hat. Doch in die wahren, recherchierten Begebenheiten sind hier frei erfundene Einzeilheiten „einverwoben“ worden, wie es die Autoren nennen – ein Verfahren, das Eckhard Henscheid schon 1985 in seiner „Jugendbiographie“ über Helmut Kohl verwandte und auch diesem Buch einen ganz eigenen satirischen Resonanzboden gibt.

Das Buch der Henscheids funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Zum einen schildern die beiden süffisant und schelmisch den Aufstieg der Zwicks zu Reichtum und Ansehen. Mit einem Kunstgriff, nämlich der konsequenten Huldigung dieses „Geschlechts der Giganten“, malen sie ein farbenfrohes Sittengemälde des christsozialen Amigosystems und schaffen so die richtige Fallhöhe, um spielerisch und ohne jede moralische Angestrengtheit die wichtigtuerischen Helden der Wirtschaftswunderjahre ihrer neureichen Lächerlichkeit zu überführen.

Darüberhinaus, und hier prangt klar die Handschrift Eckhard Henscheids, ist die Zwick-Biographie eine schon genial zu nennende Genreparodie. Henscheid imitiert den Stil der Lokaljournalisten und Heimatgeschichtsschreiber auf vortrefflichste: stets eine Spur zu hochgestochen, stets um ein Haar zu pathetisch, immer bemüht um stilistische Eleganz und damit immer schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Bereits in seiner Lokalzeitungsparodie „Blick in die Heimat“ (Hersbrucker Trilogie, 1993) und in vielen Prosastücken hat sich Henscheid um die Würdigung dieser Sprache der stilistischen Provinz verdient gemacht. Bei den „Zwicks“ gelingt ihm die Kunst, mit wirklich jedem Satz die Geschmacksgrenze zu überschreiten, ohne daraus eine ermüdende Masche zu machen. Die Unfall als Stilmittel: Dieses Verfahren beherrscht in Deutschland keiner so virtuos wie Eckhard Henscheid.

Doch vielleicht kommt dieses Buch auch schon zu spät, denn die Generation der Zwicks und Straußens, jener wieder-wer-gewordenen Nachkriegskanonen, stirbt langsam aus. Jung-dynamische Spesenritter treten heute an ihre Stelle. So gesehen ist die Geschichte der Zwick-Dynastie schon heute eine historische Biographie und ein Zeitdokument. Aktuell bleibt das Buch in seinem sprachlichen Gehalt: Möge sich die „moderne politische Historiografie und Biographistik“ von diesem Schlag so schnell nicht wieder erholen.

von JAN NOEVENTHIEN

Eckhard Henscheid und Regina Henscheid: Die Zwicks. Fronvögte, Zwingherren und Vasallen. Geschichte einer bedeutenden Familie. Haffmans, Zürich. 213 Seiten.

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