Laura Joh Rowlands Historienschinken „Der Kirschblütenmord“
Man kennt ja solche Geschichten: Ein Polizist, der eigentlich nur einen Selbstmord zu den Akten legen soll, kommt einem Mordkomplott auf die Schliche. Bald verschwinden wichtige Zeugen, und korrupte Vorgesetzte versuchen, die Ermittlungen zu verhindern.
Insofern eine typische Cop-Story, die die amerikanische Autorin Laura Joh Rowland in ihrem Romandebüt »Der Kirschblütenmord« erzählt: Der Polizist läßt sich nicht einschüchtern, wird schließlich vom Dienst suspendiert und muß die Verschwörer auf eigene Faust stellen.
Man hätte es so ähnlich schon hundertmal gelesen, hätte Rowland für ihre Geschichte nicht ein ungewöhnliches Setting ausgesucht: Ihr Detektiv kämpft sich nicht mit Colt und Cadillac durch den Sumpf des Verbrechens, sondern mit Schwert und Pferd, denn Sano Ichiro ist Samurai, und seinen Fall löst er im Tokio des Jahres 1689.
Japan wird zu jener Zeit von der straffen Militärdiktatur des Shogun Tsunayoshi Tokugawa regiert. Ichiro, der soeben in den Polizeidienst eingetreten ist, muß feststellen, daß Gehorsam, Höflichkeit und die Sicherung des Status quo einen höheren Rang einnehmen als die Wahrheitsfindung. Damit kann er sich, immerhin ein ehemaliger Philosophielehrer, der nur seinem kranken Vater zuliebe die ordentliche Beamtenlaufbahn eingeschlagen hat, jedoch nicht abfinden. Er will »das Hochgefühl erleben, etwas Gutes bewirkt zu haben, indem er eine Wahrheit aufdeckte.«
Der Held ist überhaupt ein dermaßen anständiger und aufrechter Zeitgenosse, daß auch die Autorin ihre Begeisterung für ihn kaum verhehlen kann, und während sie ihren tapferen Samurai durch ihre reichlich altbackene Krimihandlung scheucht, zieht dieser bald einen ganzen Rattenschwanz an Verpflichtungen hinter sich her: Namen müssen reingewaschen, Tode gerächt und Trauernde getröstet werden. Die Pflichten des Gutseins drücken ihm heftig aufs Gewissen.
Ichiros Suche nach Wahrheit ist aber nicht als ein Aufbegehren gegen das brutale Regime zu verstehen – im Gegenteil: Wie erleichtert ist der junge Held, als er erfährt, daß sich die Verschwörung, die er ruhelos verfolgt, gegen den Shogun richtet! Das haben die Verschwörer, nach Diktat verreist, im Vorfeld ihrer Tat schlauerweise zu Papier gegeben und glücklicherweise auch gleich noch namentlich unterschrieben. So macht Polizeiarbeit natürlich Spaß, und mit der Vereitlung des geplanten Attentats kann Ichiro sich wieder als getreuer Untertan empfehlen und seine Famlienehre wiederherstellen.
Am Ende schämt sich unser guter Samurai. Nicht etwa, weil das siegreiche Regime aus Staatsräson nun selbst ein wenig an Ichiros mühsam aufgedeckter Wahrheit dreht. Nein, diesem Regime wird er ja von nun an als Sonderermittler des Shogun verbunden sein. Er schämt sich vielmehr für all die Belohnungen, mit denen er in einem nicht enden wollenden Happy-End überhäuft wird – wo er doch nur seine Pflicht getan hat.
Respekt, Gehorsam, Höflichkeit: Rowland beschreibt eine Gesellschaft, in der es auf die Zwischentöne ankommt, doch ihr Buch ist leider völlig frei davon. Die Protagonisten regeln die entscheidenden Dinge zwischen den Zeilen, doch zwischen den Zeilen des »Kirschblütenmords« findet sich nur gähnende Leere.
Mit großer Selbstverständlichkeit reiht Rowland Klischee an Klischee, ihre Prosa ist ein Grabbeltisch der Versatzstücke und ihr Japan ein Land, in dem Gefühle noch lodern, Zweifel noch nagen und das Blut noch in den Adern gefriert. Hoffnung keimt und Wut steigt heiß im jungen Helden auf. Dem Leser bleiben solche Gefühlsaufwallungen leider vorenthalten.
von JAN NOEVENTHIEN
Laura Joh Rowland: Der Kirschblütenmord. Lübbe. 480 Seiten. 44 Mark.