Es kann ganz schön unheimlich sein, nachts allein in einem großen, dunklen Haus. Die seltsamsten Dinge hört man sich rühren, und wenn man nur lang genug ins Dunkel starrt, starrt schon bald etwas zurück.
Während die Lokalzeitungen von den Untaten eines Hammermörders berichten, arbeitet die Übersetzerin Elizabeth Skvorecky an der englischen Ausgabe eines Thrillers der hartgesottenen Sorte. Daß die Angst sich zu einer Krankheit auswachsen könne, heißt es da, daß sie „Körper und Geist gleichermaßen befiel und an den Nervenenden nagte, bis sie bloßlagen.“
Mit der Zeit mehren sich mysteriöse Anzeichen dafür, daß sich ein Unbekannter regelmäßig Zutritt zu Elizabeths Haus verschafft, in dem sie seit der Trennung von ihrem Freund allein lebt. Während sich ein nervenzermürbender Psychokrieg entwickelt, weicht Elizabeth in ihrer Übersetzung – der nahe Abgabetermin läßt trotz aller Belastung keinen Aufschub zu – immer weiter von der Romanvorlage ab und offenbart in diesen Passagen mehr über das zerstörerische Ausmaß ihrer eigenen Angst, als sie sich selbst eingestehen will.
So rücksichtslos, wie der unbekannte Eindringling die Heldin des Romans terrorisiert, so raffiniert spielt auch die Autorin Sarah Dunant in ihrem Debüt „Nachts sind alle Katzen grau“ mit den Nerven ihrer Leser. Die Angstszenarien Elizabeths werden gekonnt verwoben mit ihren ebenso klugen wie amüsanten Gedanken über das Leben und Lieben in der Midlife-Krise.
Die Parallelmontage mit der fiktiven Krimi-Übersetzung sorgt für verzögernde Momente, ohne dem Leser wirklich eine Atempause zu gönnen, und eröffnet zugleich und sozusagen am lebenden Objekt allerlei Einsichten über das Wesen und Wirken eines Thrillers. Und wenn man dann, spät in der Nacht, das Buch endlich zugeklappt hat, sind die seltsamen Geräusche im Dunkel alle noch da.
JAN NOEVENTHIEN, 10. Januar 1998
Sarah Dunant: „Nachts sind alle Kater grau“. Blessing, 318 Seiten, 39,80 DM.