Im Bett mit Marilyn Monroe, auf Toilette mit John F. Kennedy und einen trinken mit Jack Kerouac – der Gedanke, der Don Winslows Kriminalkolportage „Manhattan Blues“ zugrund liegt, ist denkbar einfach: Er lässt eine Reihe prominenter Zeitgenossen des Jahres 1958 mal mehr, mal weniger verfremdet durch eine fiktive Krimihandlung stapfen und sieht zu, was so passiert.
Es passiert natürlich so einiges. Von der CIA über das FBI bis zum unvermeidlichen KGB sind alle üblichen Verdächtigen vertreten, ferner ein Haufen Beat-Autoren, die Homosexuellenszene und die Jazz-Boheme Manhattans, deutsche Zuhälter, irische Schläger, und sogar die New York Giants – nur auf den Auftritt von James Bond wird man vergebens warten.
Die illustre Besetzung kann nicht darüber hinwegtäuschen: Was wie ein Schlüsselroman daherkommt, ist eher ein Schlüssellochroman, denn Winslow hat eine bestenfalls konventionelle Krimigechichte mit einem Haufen derart wilder Spekulationen zusammengeschemelt, daß seine prominenten Protagonisten allenfalls auf einschlägiges B-Movie-Format eingedampft werden.
Dabei gelingen Winslow mitunter wunderbare Stadtbeschreibungen, wenn er seinen Helden, den Privatdetektiv und Ex-Agenten Walter Withers durch die Straßen von Manhattan treiben läßt. Doch sobald nur etwas Handlung hereinbricht, ist alles verloren. Und leider gibt es viel zu viel davon. Dann sagen grobgeschnitzte Charaktere klischeedurchsottene Dialoge auf, daß man meint, eine schlechte Drehbuchadaption vor sich zu haben. Die Hauptfigur mutet an, als hätte man James Stewart als Sam Spade besetzt. Mit anderen Worten: Das Desaster lässt sich bald erahnen, doch niemand tut etwas dagegen.
Am wenigsten der Autor selbst. Das Vergnügen an einem Satz liege „letztlich nicht beim Hörer, sondern beim Sprecher“, schreibt Winslow nahezu programmatisch für alles folgende in den „Prolog“ seines Werks. Woraus man die leise Hoffnung ableiten kann, daß bei diesem Unternehmen zumindest der Autor mehr Spaß gehabt haben könnte als der Leser.
JAN NOEVENTHIEN
Don Winslow: „Manhattan Blues“. Piper. 375 Seiten, 39,80 DM
veröffentlicht am 17. Juli 1999